Das hat es in der Geschichte des Stadtrates der Stadt Altötting wohl noch nie gegeben, dass ein Stadtratsmitglied schon 10 Monate nach der Wahl seine Fraktion im Stich lässt und die Seite wechselt. Rosi Hermann geht zur CSU-Fraktion. Die Idee der Demokratie und Glaubwürdigkeit gegenüber Mandatsträgern hat durch diesen Fahnenwechsel schweren Schaden genommen. Durch diese Aktion heißt der große Gewinner: AfD.
Die AfD bekommt ab jetzt in allen 8er-Ausschüssen einen Sitz und damit eine möglicherweise gewichtige Stimme. Die FW verliert die Hälfte der Sitze in diesen Ausschüssen.
‚Bravo!‘ ruft da der Demokrat, das habt ihr gut hingekriegt! Wie sich die übrigen 19 FW-Kandidaten fühlen, die auf der FW-Liste mit ihren Stimmen erst den Einzug Rosi Hermanns in den Stadtrat ermöglichten, kann sich der Leser wohl vorstellen.
Erster Bürgermeister Stephan Antwerpen hatte der Freie-Wähler-Fraktion am Montag vor der Stadtratssitzung zugesagt, eine öffentliche Stellungnahme zu Beginn der Stadtratssitzung abgeben zu können. Am Mittwoch las er am Anfang der öffentlichen Sitzung das Schreiben von Rosi Hermann vor, verweigerte uns nun aber, unsere Stellungnahme öffentlich bekannt zu geben. Dies holen wir hier auf der Homepage nach:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates der Stadt Altötting!
Ich möchte sowohl für die Freien Wähler Altötting als auch für die Fraktion mit Bedauern bekannt geben, dass Rosi Hermann mir, dem Ortsvorsitzenden der Freien Wähler, per Brief am 1. Februar mitgeteilt hat, mit sofortiger Wirkung ihre Stellvertreter-Position und auch ihre Mitgliedschaft beim Ortsverband der Freien Wähler zu beenden. Gleichzeitig hat Rosi Hermann unserem Fraktionsvorsitzenden Konrad Heuwieser in einem Brief mitgeteilt, aus der Fraktion der FW auszuscheiden, ebenfalls mit sofortiger Wirkung.
Ich zitiere aus dem Schreiben an unseren Fraktionsvorsitzenden: „…“
Wir akzeptieren natürlich persönliche Gründe.
Wir akzeptieren jedoch nicht die vorgelesene Begründung, weil diese jeglicher Grundlage entbehrt, und weil ihre Entscheidung ohne Vorwarnung und ohne das Gespräch mit uns zu suchen, getroffen worden ist.
Frau Rosi Hermann ist nun die vierte Wahlperiode Mitglied des Stadtrats in der Fraktion der Freien Wähler.
Wenn Frau Rosi Hermann – wie sie vorgibt – sich mit Zielen und Visionen der Fraktion der FW nicht identifizieren kann, ist ihr das selbstverständlich freigestellt, aber dafür wäre der richtige Zeitpunkt die Nominierungsversammlung für die Wahl zum Stadtrat, also vor einem Jahr, gewesen.
Denn, wenn es Ziele und Vorstellungen der Freien Wähler gibt, dann waren und sind diese stets einer angemessenen Sachlichkeit und ausschließlich Sachentscheidungen gewidmet und Rosi Hermann hätte jederzeit Wünsche, Ziele und Visionen einbringen können.
Ich betone: Die vor einem Jahr in ihrer Wahlinformation formulierten Ziele und Visionen der FW sind heute die gleichen wie vor einem Jahr. Diese Ziele und Visionen hat Frau Rosi Hermann erstens mit erarbeitet, auch mitgetragen und darüber hinaus einen großen Ehrgeiz darin gezeigt, im Verbund der Freien Wähler einen aussichtsreichen Listenplatz zu ergattern, um auf diesem Weg und mit Hilfe der Wähler und Stimmen der Freien WählerInnen in den Stadtrat gewählt zu werden. Auch ohne die 1210 Stimmen, die Rosi Hermann inclusive der Listenstimmen erhalten hat, hätten die Freien Wähler 5 Sitze im Stadtrat erhalten. Die BürgerInnen gaben den Freien Wählern 5 Sitze und nicht 4! Und: Alle 24 Kandidaten der Freien Wähler haben Rosi Hermann zu ihrem Sitz im Stadtrat verholfen!
Dass sich die Arbeit in der Fraktion, wie es sich in Ihrem Kündigungsschreiben liest, nicht mit ihrer freien Meinungsbildung vereinbaren ließe, ist ebenfalls ein weiteres vorgeschobenes Scheinargument. Alle hier im Stadtrat wissen und sie weiß es auch, und Rosi Hermann hat dies fast 20 Jahre lang in jeder Sitzung erleben dürfen: Die freie Meinungsbildung ist mit die wichtigste Position einer Gruppe, die sich Freie „Freie“ Wähler nennt.
Es gibt und gab keinen Fraktionszwang, Jeder und Jede kann sich nach seinem oder ihrem Gewissen entscheiden. Frau Rosi Hermann hat dies nicht nur einmal praktizieren können und beweisen dürfen und in manch wichtigen Entscheidungen entgegen den Vorstellungen der übrigen Kollegen in der Fraktion gestimmt.
Wir beteiligen uns heute an keinen Spekulationen, ob es Anwerbungsversuche von anderen politischen Gruppierungen oder von Einzelpersonen auf Rosi Hermann gegeben hat, oder ob auf Frau Rosi Hermanns Entscheidung Einfluss von außen ausgeübt worden ist.
Natürlich haben wir ihre persönlichen Gründe zu akzeptieren.
Jedoch verknüpfen wir diese Akzeptanz mit einer Forderung:
Wir fordern Frau Rosi Hermann auf, dann auch konsequenterweise ihr Stadtratsmandat zurückzugeben. Denn nur so kann sie politischen und persönlichen Schaden abwenden. Genau dies ist sie ihren und unseren Wählern schuldig, denn Rosi Hermann hat das Mandat nicht von den Wählern bekommen, um schon nach gut 10 Monaten die Wähler der Freien Wähler und damit auch ihre Wähler zu täuschen. Die Freien Wähler verlieren durch diesen Rücktritt, falls sie unbedingt im Stadtrat bleiben will, nicht nur einen von 5 Sitzen im Plenum, sondern werden auch in den wichtigen Ausschüssen halbiert. Nach dem von der Verwaltung ausgegebenen Schema würde dieser Ausschusssitz nun an die AfD gehen.
Alles ist mit allem verbunden, auch der Begriff der Aufrichtigkeit.
Das Wetteifern um kommunalpolitischen Einfluss ist bekanntlich keine One-Man/One-Woman-Show. Jeder Einzelne Kandidat/in gibt im Rahmen einer Mannschaft den Wählern das Versprechen ab, sich gemeinsam um die bestmöglichen kommunalpolitischen Weichenstellungen und Entscheidungen zu bemühen.
Dieses vorab gegebene Versprechen wird jetzt gebrochen und betrifft nicht nur allein Frau Hermann. Es betrifft die ganze Gruppe der Freien Wähler, von den Wählern, die uns das Vertrauen geschenkt haben über die Mitglieder des Ortsverbandes bis hin zu uns Mandatsträgern.
Um als betroffene Mannschaft dieses vor einem Jahr gegebene Versprechen zu halten, fordern wir Rosi Hermann nochmals auf, politischen Anstand zu zeigen, indem sie aus dem Stadtrat ausscheidet und dieses Mandat ihrem Nachrücker Dr. Hans Kistler überlässt.
Zu den grundlegenden Dingen einer Demokratie gehört nämlich auch eine Kultur, wiejemand aus einem Amt zurückzutreten hat.
Wolfgang Erdmann, Ortsverband Freie Wähler Altötting
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